"Über den Holzschneider" - von Dr.Rainer Zerbst 2008
Vernissagerede 02.10.2008 in Tübingen
Meine Damen und Herren
"Sein oder nicht Sein" - das fragt sich Prinz Hamlet in William Shakespeares gleichnamiger Tragödie.
Er schrieb sie vor rund 400 Jahren, die Fragen sind immer noch aktuell: Es geht darum, ob man sich aktiv
dem Leben aussetzen oder im Rückzug sein Heil finden soll. Was hat nun Hamlet mit seiner Frage mit Heiner
Bauschert zu tun. Möglicherweise mehr, als ich überhaupt weiß, denn ich habe Heiner Bauschert persönlich
nicht kennengelernt, ich kenne nur, was er uns hinterlassen hat. Und aus dem kann ich einen durchaus
philosophischen Menschen herauslesen - einen Menschen, der sich um die Welt, allgemeiner noch, um die
Schöpfung Gedanken machte, mit der Schöpfung lebte und sich um sie sorgte.

In dieser Ausstellung findet
sich zum Beispiel ein Bild von einem toten Fisch. Das ist Mitfühlen mit der Kreatur. Noch erschreckender,
aufwühlender ist ein Holzschnitt aus dem Jahr 1979. Er zeigt einen in den letzten verzweifelten Lebenszügen
liegenden Vogel - der Schnabel ist weit aufgerissen, aber man glaubt kaum, daß aus ihm noch mehr als ein
letztes Krächzen kommen kann. Das Gefieder ist verklebt, unfähig zu fliegen. Ein Opfer der ölpest.
Die Krallen wirken bereits wie ein Gerippe. Bauschert gestaltete diesen Vogel wohl weniger aus einem
naturschützerischen Engagement heraus, nicht politisch, nicht anklagend, sondern aus seiner Sympathie
mit dem Vogel, mit der Natur heraus, und Sympathie, die Basis seines ganzen Schaffens, heißt Mitleiden
im umfassendsten Sinn. In dieser Hinsicht könnte sein Werk uns heute und in der Zukunft ein Symbol und
eine Mahnung sein. Solch ein Bild, das ganz lakonisch mit "ölvogel" betitelt ist, wirft durch seine
erschütternde Darstellung sofort Fragen nach Leben und Tod, nach Sein und Nichtsein auf.
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Vernissagerede Dr. Rainer Zerbst 1999
Vernissagerede Dr. Rainer Zerbst 2008 in Tübingen
Vernissagerede Dr. Rainer Zerbst 2010